„Auf in die Sommerfrische…“ – Mueß im Jahre 1911

Darsteller zeigen im Freilichtmuseum mecklenburgischen Dorfalltag vor über 100 Jahren

Im heißen Sommer 1911 eröffnet die 3. Landes-Gewerbe- und Industrieausstellung auf dem großen Exerzierplatz (Großer Dreesch) und lockt betuchte Gäste nach Schwerin. In das prächtige Kurhaus am Zippendorfer Wäldchen quartieren sich Gäste ein. Städter nehmen ihr Rad, kommen mit dem Dampfer oder zu Fuß hinaus in die Sommerfrische, um in der schönen Natur der Dörfer Zippendorf und Mueß zu entspannen. Sie kehren in Wirtschaften ein und genießen die Idylle auf dem Land. Es gibt frische Butter, Eier, Blumen und Gemüse aus den Bauerngärten.

Darsteller zeigen im Freilichtmuseum mecklenburgischen Dorfalltag vor über 100 Jahren. Foto: Fred-Ingo Pahl

Die Mueßer nutzen diese zusätzliche Einnahmequelle gern, denn jeder Pfennig zählt, angesichts der schweren Arbeit in der Landwirtschaft. Jeden Tag früh aufstehen, als erstes die Tiere versorgen, später gibt es Milchsuppe und Bratkartoffeln zum Frühstück. Der Ziegeleiarbeiter, der der Häuslerei einquartiert ist, macht sich auf den Weg zur Arbeit. Seine Frau hilft in der Ernte beim Bauern. Auf das Deputat ist die junge Familie angewiesen. Die Schwiegermutter besorgt umsichtig den Garten und kümmert sich liebevoll um die Kinder. Der Landmesser, der im Kurhotel kein Zimmer mehr bekam, freut sich, dass ihm die Dorfwirtin eines herrichten kann. Später schreitet er die Mueßer Streuobstwiesen ab und vermisst ein Stück Land für die Fischerfamilie Jarchow. Mit seinen technischen Gerätschaften zieht er alle Blicke auf sich. Behutsam hantiert er mit seinen Apparaten.

Am Wochenende des 22. und 23. Juli ziehen wieder Historiendarsteller aus ganz Deutschland in die Bauernhäuser und Katen des Mueßer Museums. Sie schlafen, leben und wirtschaften in den Gebäuden und beleben das ehemalige Domanialdorf, das mit seinen Streuobstwiesen und Gärten bis heute erhalten blieb. Jeder Darsteller übernimmt eine Rolle im Dorf, kleidet sich in originalen Gewändern und hantiert mit Gegenständen, Werkzeugen und Geräten der Kaiserzeit. Die Darstellergemeinschaft möchte interessierten Besuchern neue Perspektiven auf die Vergangenheit mit mehr Bezug zum damaligen Alltag der Landbevölkerung vermitteln. Sie wollen mit den Besuchern ins Gespräch kommen, Fragen beantworten und alle am „damaligen“ Leben teilhaben lassen.

Und schon macht eine Neuigkeit die Runde im Dorf: „Kunzes Kolonialwarenladen“ eröffnet wieder. Bis etwa 1948 existierte dieses Geschäft tatsächlich in Mueß. Jetzt kann man direkt neben der Schänke wieder Waren des täglichen Bedarfs einkaufen. Damen aus der Stadt spielen unter Apfelbäumen eine Partie Kricket, und der Kapitän von der Hapag Loyd mit Gattin und zwei strammen Söhnen im Matrosenlook gesellen sich zur Schankwirtin und genießen heißen Kaffee und leckeren Bienenstich.

„Walter Beckmann, selbst in Mueß groß geworden, organisiert seit einigen Jahren mit seiner Frau Karola und weiteren Familienmitgliedern dieses besondere Ereignis im Freilichtmuseum“, erläutert Gesine Kröhnert, Leiterin der Einrichtung in Mueß: „Es zeigt auch ein sehr anschauliches Profil im Rahmen unserer Öffentlichkeitsarbeit. Dazu gehört auch die neue, monatlich stattfindende, Reihe „Sünndags in de Koek“. Mit Liebe zum Detail und mit viel Wissen über diese Epoche bereiten sich die Akteure im Museum vor. Das Interesse der Besucher ist sehr groß und oft erinnern und verbinden sich hier Generationen.“

An beiden Tagen findet um 11:30 Uhr jeweils eine historische Schulstunde in der 1850 errichteten Mueßer Dorfschule statt. Am Samstag und Sonntag können Besucher jeweils um 11 und 15 Uhr an Führungen durch das belebte Museumsdorf teilnehmen.

Fred-Ingo Pahl
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