Im Speicher wird weiter gefeiert – mit „Ally the Fiddle“

Abwechslungsreiches Programm bis Anfang Oktober (und darüber hinaus)

Gerade feierte der Speicher seinen 15. Geburtstag. Eigentlich einmal ein Grund, eine kurze Zeit zu relaxen. Selbstverständlich geht das in unserer rasanten Zeit nicht, zumal die Speicher-Fans innerhalb und außerhalb Schwerins jede Woche ihre kulturellen Leckerli, ihre geistige Nahrung vom Speicher erwarten. So war Speicher-Chef Dieter Manthey natürlich nicht untätig und zelebriert bis Anfang Oktober ein excellentes Programm mit Sebastian Schnoy, Robert Metcalfe, Frederic Hormuth, Conny Bauer, Ulrike Hanitzsch und vor allem mit „Ally the Fiddle“.

Ihre Musik nennen Sie „Instrumental Folk Metal“. Die Geigenlines sind dabei großenteils dem Irish und Scottish Folk entlehnt. Ally Storch, die Frontfrau, ist eine klassisch studierte Musikerin und Dozentin für Rock-Geige an der Rock- und Popschule Rostock, eine praktizierende Folk-Fiddlerin und Rock-Geigerin.

Nachgefragt bei Ally …

„Es gibt keinen Arbeits-Alltag für eine Rock-Geigerin bzw. Rock-Dozentin …“

Frage: Ally, am 16. September sind Sie zu Gast im traditionsreichen Speicher in Schwerin. Was können, was dürfen Fans und solche, die zum Konzert kommen, Sie noch nicht kennen, aber kennen lernen wollen, erwarten?

Ally: Unsere Zuhörer erwartet ein gemischtes Programm aus Eigen-Kompositionen, in denen die irischen und schottischen Tunes zum Teil sehr gut versteckt sind, aber auch eine Reihe von Cover-Songs von Inchtabokatables (Indipendent) bis Manowar (Metal). Das Ungewöhnliche an dem Programm ist: Die Geige steht im Vordergrund bzw. das Duell oder Duett von Geige und Gitarre. Umrahmt wird das Programm von der bezaubernden wie faszinierenden Tänzerin Ginger Synne, die ihren Stil selbst als „Antiburlesque“ bezeichnet.

Frage: Liest man einschlägige Publikationen, so definiert jede/jeder Ihre Musikrichtung anders. Wo verorten Sie sich selbst?

Ally: Eine Definition ist in der Tat nicht so leicht zu finden, zumal wir uns musikalisch nicht von Schlagworten eingrenzen lassen möchten. Aber, wenn man dennoch nach einer Beschreibung sucht, sind wir im Bereich des Instrumental Folk Metal und Progressive Rock zu finden.

Frage: Wie wird man eigentlich Rock-Geigerin? War Ihnen die Klassik nicht genug?

Ally: Die sogenannte Klassik ist sicherlich ebenfalls ein Feld, das man sein Leben lang bearbeiten und noch immer weiter entdecken kann. So habe ich diesem Genre auch nie wirklich den Rücken gekehrt. Aber mir persönlich liegt ein Musizieren näher, das mehr eigenschöpferische Kreativität verlangt und in dem ich mich viel freier bewegen kann.

Ich habe eigentlich erst nach meinem Studium das Gefühl gehabt, mein Instrument wirklich spielen und ausprobieren zu können. Mich reizt die Suche nach neuen Klängen und der Sprung in die unsteten Wasser der Improvisationen. Und ich habe tatsächlich im Rock ein Gebiet gefunden, das noch viele (auch musikwissenschaftlich) unbearbeitete Felder offenhält.

Frage: Sie sind auch Dozentin für Rock-Geige in Rostock. Wie sieht da Ihr Arbeitsalltag aus? Und – nach Ihren Erfahrungen: Was ist wichtiger, um eine erfolgreiche (Rock-)Geigerin zu werden: Talent, Leidenschaft oder Fleiß?

Ally: Im Grunde gibt es keinen Arbeitsalltag für eine Rock-Geigerin und/oder -Dozentin. An zwei Tagen der Woche bin ich in der Rock- und Popschule und versuche dort, mit meinen Schülern einem Unterrichtskonzept zu folgen, das eher das Intuitive in den Vordergrund stellt.

So werden meine Schüler sicherlich keine Welt-Solisten der E-Musik, lernen aber ihr Instrument kennen, bleiben nicht an den Noten kleben, werden diese aber durchaus für sich zu nutzen wissen – und  dabei versuche ich, die für die Rockmusik viel wichtigeren Dinge, wie Groove, Improvisation, Freies Spielen u.v.m., bei den Schülern zu wecken.

Somit liegt eigentlich die Beantwortung der zweiten Frage auf der Hand: Man kann durch Fleiß beinahe alles erreichen. Aber wenn alle drei Komponenten ineinandergreifen, hat man mit Sicherheit den größten Gewinn bzw. sollte man sicherlich auch die soziale Komponente nicht ausser Acht lassen:

Wenn man selbst eher schwierig oder arrogant ist im Umgang mit anderen Musikern, möchte natürlich niemand mit einem zusammenarbeiten. Und wenn man nie das Glück hat, Menschen zu treffen, die einem die Weichen für eine musikalische Karriere zu stellen helfen oder man vielleicht sogar zu zurückhaltend ist, um deren Hilfe in Anspruch zu nehmen, bleibt man wohl eher unerkannt.

Frage: Zurzeit wird in der Welt viel „vergeigt“, alles wird unter ökonomischen Gesichtspunkten betrachtet. Welche Bedeutung hat aus Ihrer Sicht Kultur in und für die Gesellschaft?

Ally: Diese Frage beantwortet sich mit Blick auf unsere heutige Gesellschaft im Grunde von selbst: Unsere Kultur wird Stück für Stück zurückgedrängt und so erlebe ich insbesondere auch die nachfolgenden Generationen.

Ich habe viele Jahre an der Kunstschule Rostock „Comiczeichnen“ unterrichtet und hatte anfänglich noch recht kreative Köpfe in meinen Kursen. Das ist zunehmend zurückgegangen und zuletzt bestand ein Großteil meiner Arbeit darin, den Kindern Motivation zu geben, den Stift überhaupt in die Hand zu nehmen.

Ich könnte zu dieser Frage sicher unglaublich viel erzählen, aber ich versuche mich auf ein Grobes zu beschränken: Ich denke, durch den permanenten Abbau von Kultur in unserem Land – wobei ich den Begriff „Kultur“ hier recht weit fassen möchte – sind solche Erscheinungen, wie Gewalt, so das wahllose Zusammentreten von Passanten, sowie Politikverdrossenheit oder Perspektivlosigkeit in unserem Land überhaupt erst möglich.

Es scheinen vielfach Werte, wie Moral und Ethik verloren gegangen zu sein; Kreativität für das eigene Leben oder einfach nur Verantwortungsgefühl für sich selbst und seine Mitmenschen.

Frage: Sie haben sicher schon einiges von der Welt gesehen. Wie waren die Reaktionen auf Ihre Konzerte? Was waren für Sie bisher die schönsten Konzerte?

Ally: Mein umfassendes Fazit ist eigentlich das: In jedem Land sind die Menschen ausgelassener, als in Deutschland. Ich bin mit der Band „Haggard“ inzwischen auf beinahe jedem Kontinent gewesen und wir werden überall herzlich und überschwänglich aufgenommen – und es ist jedes Mal sehr auffällig, wenn wir wieder in Deutschland sind.

Das soll nicht heissen, dass das deutsche Publikum nicht zu begeistern ist! Im Gegenteil – ich spiele sehr gerne hier und freue mich über jeden Zuhörer! Aber am auffälligsten ist das Publikum in Lateinamerika. Diese Leute sparen zum Teil Jahre auf eine Konzertkarte und sind dann entsprechend erwartungsvoll und enthusiastisch. Sie begegnen einem, als sei man ein lange nicht gesehenes Familienmitglied und überhäufen einen mit oft auch selbst gemachten Geschenken.

Dann bis Freitag auf Ihrem Konzert und eine gute Anfahrt nach Schwerin!

Vielen Dank für die Fragen!! Und wir freuen uns sehr auf Euer aller Kommen!!

Die Fragen stellte M. Michels.

Weitere Infos: www.ally-fiddle.de

Kommende Konzerte und Veranstaltungen im Speicher

– Fr., 16.09.2011 – 20 Uhr – Ally the Fiddle und Band – Folkrock
– Sa., 17.09.2011 – 20 Uhr – Sebastian Schnoy – Kabarettistische Lesung „Hauptsache Europa“
– Di., 20.09.2011 –  9:30 Uhr – Robert Metcalf / „Gehopst wie gesungen“ für Kinder
– Di., 20.09.2011 – Workshop mit Robert Metcalf
– Mi., 21.09.2011 – 9:30 Uhr – Robert Metcalf / „Gehopst wie gesungen“ für Kinder
– Fr., 23.09.2011 – 20 Uhr – Conny Bauer – Solo-Performance / “Der gelbe Klang”
– Sa., 24.09.2011 – 20 Uhr – Frederic Hormuth – Kabarett – Neues Programm / Kabarettpreis: Rostocker Korkenzieher 2011
– Mi., 28.09.2011 – 17:30 Uhr – Einmietung Stadt
– Fr., 30.09.0211 – 21 Uhr – HONKY TONK
– Sa., 01.10.2011 – 20 Uhr – ULRIKE HANITZSCH AND THE MEN BAND / Ein Programm für Music-Lover und Lyrik-Fans

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