Sportliche Lebenswege in M-V vor 1990

Die Fälle Wolfgang Böhme und Nils Rudolph

Die DDR, eine große Sportnation ?! Glaubt man der Quantität in den medaillenträchtigen olympischen Kernsportarten, wie z.B. Schwimmen, Leichtathletik, Radsport, Kanu-Rennsport oder Rudern, dann „mit Sicherheit“ ja.

Doch mit der Einstellung der Förderung von Sportarten, in denen nur wenig zu gewinnen war, zentral angeordnet von bornierten Sportfunktionären Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre, erwies man dem DDR-Sport einen „Bärendienst“. Auch Sportarten, in denen Weltklasse-Leistungen erreicht wurden, WM- oder EM-Medaillen gewonnen wurden, mussten „dran glauben“.

Besonders hart – unter anderem – traf es Motorwassersportler, Dressur-Reiter, Tischtennis-Spieler, Tennis-Spieler oder Bogenschützen …
Zusätzlich – neben vieler negativer zentraler Entscheidungen der DDR-Sportpolitik – wirkte sich der Einfluß von SED und Staatssicherheit für die Sport-Entwicklung zwischen Mecklenburg und Sachsen aus.

Sportliche Lebenswege wurden versperrt, Sportlerinnen, Sportler und Trainer um die Früchte harter Arbeit gebracht.

Das Buch über W.BöhmeDer Weltklasse-Handballspieler Wolfgang Böhme (Rostock) hat nun zumindest partiell eine sehr späte Genugtuung erfahren. Auf der Mitgliederversammlung des HC Empor Rostock am Montag-Abend wurde ein entsprechender Antrag zu seiner Rehabilitierung einstimmig beschlossen.
Wolfgang Böhme, der in der DDR-Handball-Nationalmannschaft ein Jahrzehnt spielte, vier Jahre davon als Kapitän, und mit ihr u.a. WM-Bronze 1978 erkämpfte, war vor den Olympischen Spielen 1980 in Moskau wegen einer angeblich geplanten Flucht nach Westdeutschland zunächst aus dem DDR-Team und dann ebenfalls  aus seinem Klub SC Empor Rostock ausgeschlossen worden.

Der Fall Böhmer im Rostocker Handballsport, ein Paradebeispiel dafür wie mißliebige Athleten von SED-Sportfunktionären in Zusammenarbeit mit den kriminellen Machenschaften der DDR-Staatssicherheit, um ihre sportliche Karriere und ihre sportlichen Ambitionen betrogen wurden, ist wahrlich nicht der einzige in dieser Hinsicht.
Wurde mit dem herausragenden Handballer Wolfgang Böhme nicht nur um den Olympiasieg 1980 in Moskau und eine internationale Handball-Laufbahn betrogen, so gilt dieses in ähnlicher Form für den Rostocker Schwimmer Nils Rudolph.

Das Kraul-Ass, das im Einheitsjahr 1990 zu den besten Freistil-Schwimmern der damaligen DDR bzw. des damals im Oktober wieder vereinten Deutschland gehörte, und die europäischen Bestmarken über 50 Meter-Freistil in 22,48 Sekunden (Außerdem noch Weltbestleistung mit 24,39 Sekunden.) und 100 Meter-Freistil in 49,71 Sekunden hielt, erlitt ebenso viel Unrecht.

Vor 25 Jahren, 1983 nahm der damalige Schüler der KJS, an einem Schwimm-Wettbewerb mit der DDR-Nachwuchsmannschaft in Italien teil. Die Bitte zweier amerikanischer Touristen, die als Souvenir gern zwei DDR-Trikots haben wollten und das Schwimm-Ass darum baten, wurde vom jungen Nils erfüllt. Als kleines Dankeschön gaben sie ihm einen zwanzig Dollar-Schein. Funktionäre des DTSB hatten ihre Spitzel aber in Stellung gebracht, die Nils dann auch denunzierten. Nils Rudolph, ein hoffnungsvolles Talent, mußte die KJS verlassen – wegen einer freundlichen Geste gegenüber dem „amerikanischen Klassenfeind“.
Auch sein Vater geriet nun ins Visier der DDR-Sportfunktionäre. Der damalige DDR-Verbandstrainer erhielt seine „Abberufung“, und wurde „in die Provinz abdegradiert“ – zum SC Empor Rostock.

Zwei Jahre vor dem Ende der DDR, 1987, kehrte das Schwimm-Ass dann erst wieder zum Leistungssport zurück und kämpfte sich in die Weltklasse. Bereits 1990 trainierte der Hanseat und spätere Olympia-Teilnehmer 1992 zur Vorbereitung auf die WM 1991 dann in einem Universitätssportverein in Los Angeles, damals zusammen mit den westdeutschen Herausforderern Erik Hochstein aus Bochum und Björn Zikarsky aus Hamburg
Früh setzte er sich – im Hinblick auf die gemeinsame deutsche WM-Mannschaft 1991 im australischen Perth – für ein deutsch-deutsches Miteinander im Schwimmsport ein. So verstand er sich mit seinen „West“-Kollegen gleich „prächtig“ und appellierte auch – entgegen der innerdeutschen Unstimmigkeiten nicht nur im Schwimmsport in „jenen Tagen“ – für ein faires Miteinander: „… Wenn wir einmal ein Team sind, dann müssen wir uns auch so verhalten.“

Trotz aller persönlichen Widrigkeiten in den Wende-Monaten, der gelernte Elektromechaniker erhielt als Beschäftigter beim DTSB 1990 seine Kündigung – schaffte er es in das Nationalteam !

Manchmal sind Karrieren auch ohne Olympia-Sieg echte sportliche Meilensteine und mindestens ebenso vorbildlich und bewundernswert wie eine olympische Goldmedaille !

M.Michels

F.: Das Buch von E.Eggers über W.Böhme erschien in diesem Jahr im Verlag „Die Werkstatt“ Göttingen.

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